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Steinfeld/Eifel – Kloster im Wandel

von Jürgen Kaiser

Hoch über dem Urfttal erhebt sich mit Steinfeld eine der am vollständigsten erhaltenen Klosteranlagen des Rheinlandes, die zum touristischen Pflichtprogramm der Nordeifel gehört. Die sonntäglichen Konzerte an der berühmten Barockorgel, eine immer noch fortbestehende Wallfahrt zum heiligen Hermann Josef, aber auch Gastronomie wie landschaftliche Lage locken beständig Besucher an diesen ganz besonderen Ort.

In den tausend Jahren seines Bestehens war das Kloster einem beständigen Wandel und einem Anpassungsprozess an geänderte lokale oder überregionale Rahmenbedingungen unterworfen. Die etwas abseitige Lage Steinfelds könnte zu der irrigen Annahme führen, dass dort nur sehr weltabgewandt gelebt wurde. Doch ganz das Gegenteil ist bis heute der Fall: Schon mit der 1126 erfolgten Übernahme eines schon bestehenden Klosters durch den gerade entstandenen Reformorden der Prämonstratenser ergab sich der Anschluss an einen europaweit tätigen Ordensverband. Der Aufschwung Steinfelds war so dynamisch, dass bald Gründungskonvente von hier aus entsandt wurde. Das bedeutendste Tochterkloster war Strahov auf dem Hradschin in Prag, wo seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Prämonstratenser leben. Steinfeld war in der Anfangszeit sogar ein Doppelkonvent aus Chorherren und -frauen. Doch bald schon mussten die Damen weichen und wurden in eigens geschaffenen Frauenklöstern des Ordens wie Dünnwald bei Köln untergebracht.

Über das ganze Mittelalter gab es enge Kontakte nach Köln. Dort bestand ein großer Steinfelder Stadthof, der vor allem der Vermarktung der klösterlichen Überschussproduktion diente. Auch in anderen Städten der Umgebung gab es solche Höfe. Im nahen Bad Münstereifel hat sich dieser sogar noch in seiner spätmittelalterlichen Gestalt erhalten. Denn der Wohlstand Steinfelds beruhte vor allem auf seinem umfangreichen landwirtschaftlichen Grundbesitz, dessen Erträge gerade in den Städten den höchsten Gewinn brachten. Der Kölner Stadthof, der sich nahe St. Gereon befand, diente dann auch zusätzlich als Studienhaus der Abtei zur Ausbildung von Priestern an der dortigen Universität.

Auch Reliquien des heiligen Gereon und seiner Märtyrerschar sowie der Elftausend Jungfrauen wurden in Köln erworben und in das Eifelkloster gebracht, wo sie noch heute in verglasten Reliquiaren oberhalb des Chorgestühls zu sehen sind. Natürlich griff man für die Ausstattung der Steinfelder Klosterkirche auch auf Meister der mittelalterlichen Kunstmetropole Köln zurück. So zeigen die erhaltenen spätgotischen Holzfiguren des einstigen Hochaltares, aber auch das kleine Vesperbild im Seitenschiff einen engen Bezug zu Figuren in der Kölner Kirche St. Ursula.

Viele Steinfelder Konventsmitglieder stammten auch aus Köln. Der bis heute bekannteste unter ihnen ist Hermann Josef, dessen barockes Hochgrab im Mittelschiff der Basilika seine Überreste birgt. Denn aufgrund seines vorbildlichen Lebenswandels und seiner Visionen fand er nach seinem Tod rasch Verehrung als Seliger und Heiliger. Allerdings verstarb er 1241 im Zisterzienserinnenkloster Hoven bei Zülpich, wo er auf seinen Wunsch auch im Kreuzgang begraben wurde. Doch die Steinfelder Prämonstratenser wollten nicht auf einen prestigeträchtigen und auch wirtschaftlich einträglichen Pilgerbetrieb zu seinem Grab verzichten, den man sich erhoffte. So zerrten die Mönche die Hovener Nonnen vor das erzbischöfliche Gericht, das zugunsten Steinfelds urteilte. Und so gruben die Prämonstratenser nur sechs Wochen nach Hermann Josefs Tod dessen Leichnam aus und überführten ihn in ihr Kloster. In der Zeit der Gegenreformation betrieb Steinfeld in Rom einen teuren Seligsprechungsprozess, um den Pilgerbetrieb wieder neu anzukurbeln.

Gleichzeitig ließ das Kloster aus Urfter Marmor und Alabaster ein aufwendiges Hochgrab anlegen, das bis heute erhalten ist. Noch heute legen Gläubige einen Apfel auf das Grab. Damit nehmen sie Bezug auf eine Vision Hermann Josefs: Da er schon als Kind eine große Verehrung für die Gottesmutter hegte, legte er als Schüler seinen Pausenapfel zu Füßen einer hölzernen Marienfigur in der Kölner Kirche Maria im Kapitol. Das Wunder geschah: Das Bildwerk wurde plötzlich lebendig und ergriff das Geschenk.

Das repräsentative Hochgrab des Steinfelder Hausheiligen ist nur der Gipfelpunkt einer umfangreichen Barockisierung der mittelalterlichen Klosteranlage, die durch diverse Kriege, Plünderungen und Misswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Eine innere Erneuerung des Klosterlebens ging auch mit einer Konsolidierung des Wirtschaftsbetriebes einher. Und so betrieb Steinfeld nun auch das einträgliche Geschäft des Eisenerzbaus samt Verhüttung, was den Wohlstand bedeutend mehrte. Nicht nur die Neuausstattung der Kirche samt großer Orgel wie auch der Bau neuer Wirtschafts- und Klostergebäude konnten auf diese Weise finanziert werden; für eine beachtliche Summe gelang auch der Kauf der nahen Herrschaft Wildenburg. Deren mittelalterliches Wohngebäude wandelten die Prämonstratenser in die heute noch bestehende Kirche ihrer Propstei um.

Nicht vergessen werden sollte, dass Steinfeld durch alle Jahrhunderte ein bedeutender Arbeitgeber der Region war. Zudem war es ein offener Ort, an dem viele Menschen nicht nur seelsorgerisch betreut wurden, sondern auch in gewissem Rahmen Bildung und Kultur erfahren durften.

Die glanzvolle, aber auch wechselhafte Geschichte Steinfelds als eines der religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Zentren der Nordeifel endete abrupt mit der staatliche verordneten Zwangsauflösung und Enteignung im Rahmen der Säkularisation 1802. Nach Jahrzehnten der Verwahrlosung fiel dem preußischen Staat als neuem Eigentümer nichts Besseres ein, als die leerstehenden Gebäude für eine gefängnisartige »Erziehungsanstalt« zu nutzen. Dorthin wurden zwangsweise alle Kinder überforderter Familien, Ausreißer oder »Streuner« gebracht und als kostenlose Arbeitskräfte missbraucht.

Erst 1923 fand dieses Elend ein Ende und der moderne Orden der Salvatorianer übernahm Steinfeld. Er machte den Ort mit seiner Schulgründung zu einem bis heute wichtigen Bildungsort der Nordeifel. Der Zweite Weltkrieg brachte durch den nahen Westwall große Bedrohung, woran bis heute der Soldaten- und Zwangsarbeiterfriedhof in der Nähe des Klosters erinnert. Die vom NS-Regime enteigneten und vertriebenen Salvatorianer konnten nach Kriegsende zurückkehren und den Schulbetrieb wieder aufnehmen.

Die Überalterung und Verringerung des Konventes erforderte eine Neuausrichtung des Klosters, die dank Stiftung und Förderkreis erfolgreich und überzeugend gelang: Das Gymnasium mit seinem vielfältigen Angebot konnte bestehen bleiben. Nach der Schließung des Internates und der Freigabe von Klostergebäuden blieb nun Raum für die Einrichtung eines Gästehauses, einer Akademie zur Erwachsenenbildung sowie für die Veranstaltung von Tagungen, Seminaren, Vorträgen, Feiern und Hochzeiten. Auch der Klosterladen samt Café konnte erneuert werden. Damit hat Steinfeld den Sprung in die Zukunft geschafft und ist als regional überaus wichtiges Zentrum der Religion, Kultur und Bildung erhalten geblieben.

Dr. Jürgen Kaiser (geb. 1967) studierte in Marburg und Köln Kunstgeschichte, Mittelalterliche Geschichte und Provinzialrömische Archäologie. Er lebt in Köln als Sachbuchautor und Kulturreiseleiter. Gemeinsam mit dem Fotografen Florian Monheim veröffentlichte er im Greven Verlag Köln zahlreiche Bücher, zuletzt 2019 Macht und Herrlichkeit – die großen Kathedralen am Rhein von Konstanz bis Köln.